Rechte: 1. Nacktheit in der Öffentlichkeit

Die von mir begonnene Liste mit den unterschiedlichen Rechten von Männern und Frauen fand viel Resonanz.
Ich musste aber einsehen, dass ich sie in dieser Form nicht weiterführen kann, insbesondere keine Einzelheiten zu gesetzlichen Grundlagen einfügen oder sinnvolle Sortierungen durchführen kann.

Deshalb versuche ich jetzt einen anderen Ansatz.
Ich habe eine neue Kategorie „Rechte“ angelegt, und werde hier in loser Folge für jeden Punkt einen eigenen Eintrag schreiben. Die Reihenfolge bedeutet keine Priorisierung oder Gewichtung, sondern ergibt sich aus der ursprünglich eher zufälligen Reihenfolge, wie ich sie in der Liste aufgeführt habe.

Je nach Zeit und Feedback beabsichtige ich, etwa einen Eintrag pro Woche zu veröffentlichen. Da ich mich selbst nicht mit jedem Thema auskenne, werde ich mich nicht unbedingt an der Diskussion beteiligen. Diese kann nämlich sehr zeitaufwändig werden. Das schaffe ich nicht immer.

Aber genug der Vorrede.


1. Nacktheit in der Öffentlichkeit

Nacktheit in der Öffentlichkeit gilt bei Frauen nur als Ordnungswidrigkeit, bei Männern stattdessen als Straftat.

§183, Absatz 1 des Strafgesetzbuches besagt:

(1) Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

In den Kommentaren gab es dazu bereits u.a. folgenden Einzelheiten:

Kommentar von krams:

§183 StGB, für Frauen nur der geschlechtsneutrale §183a. Reine Nacktheit nicht strafbar nach §183, Erregungsabsicht muss vorhanden sein (BayObLG, Urteil vom 16. 6. 1998 – 2 St RR 86-98)

Kommentar von Bombe 20:

Männer können nach §183 StGB für “exhibitionistische Handlungen”, die eine andere Person belästigen, bestraft werden. eH sind dabei definiert als das Vorzeigen des primären Geschlechtsteils zum Zwecke der eigenen sexuellen Erregung. Eine Erektion ist aber zur Erfüllung des Tatbestands nicht erforderlich.

Der subsidiäre §183a StGB (“Erregung öffentlichen Ärgernisses”, mit gleichem Strafmaß) verbietet ohne Geschlechtseinschränkung “sexuelle Handlungen”, die absichtlich oder wissentlich öffentliches Ärgernis erregen. Da der Vorsatz aber auch die wenigstens wissentliche Erregung des Ärgernisses umfassen muß, ist der T/F der Meinung, diese Norm habe keine praktische Bedeutung. Andererseits nennt er als Beispiel für eine unter diese Norm zu subsumierende Tat “Entblößungshandlungen, die nicht unter §183 fallen”, obwohl öffentliche Nacktheit allein nach hM keine sexuelle Handlung darstellt. Aber vermutlich beträfe auch das dann nur Männer. Denn hätte der Gesetzgeber tatsächlich eH von Frauen erfassen wollen, warum dann diese künstliche Trennung zwischen 183 und 183a?

eH von Frauen (wie auch nicht-sexuelle öffentliche Nacktheit geschlechtsneutral) dürften daher höchstens nach §118 OWiG (“Belästigung der Allgemeinheit”) als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden können.

Mit anderen Worten, wenn sich ein Mann und eine Frau mit sexuellem Motiv nebeneinander nackt und breitbeinig auf eine Treppe setzen (und nur Erwachsene vorbeikommen), drohen im Höchstfall dem Mann 1 Jahr Haft und der Frau 1000 Euro Geldbuße (nicht -strafe!).

[Ergänzung 26. August 2018
Ein Leser wies mich darauf hin, dass „Oben ohne“ (also die Nacktheit nur des Oberkörpers) für Frauen Eine Ordnungswidrigkeit darstellt, aber für Männer nicht.

Der Einfachheit halber zitiere ich aus der Wikipedia:

In Deutschland sind die öffentliche Nacktheit und damit die Nacktheit der Brüste – wie in den meisten Ländern – nicht explizit verboten. Durch gerichtliche Entscheidungen ist die „Nacktheit in Strandnähe“ in Deutschland faktisch legalisiert und überwiegend toleriert.

Die Nacktheit in freier Natur gilt als juristischer Grenzfall – faktisch kommt es darauf an, ob jemand behauptet, belästigt zu werden und deswegen Strafverfolgung verlangt. Obwohl keine Gesetze vorliegen, die „oben ohne“ verbieten würden, kommt es regelmäßig zu Aufforderungen von Sicherheitsdiensten und Ordnungsämtern, die Brüste zu bedecken. Berufen wird sich dabei in der Regel auf §118 Ordnungswidrigkeitengesetz, „Belästigung der Allgemeinheit“, welcher als sogenannter „Gummiparagraph“ Anwendung findet. Im Fall von Grünanlagen oder Freibädern, die zu einer Kommune oder einem privaten Unternehmen gehören, kommt das Hausrecht hinzu. Da in diesen Fällen oftmals von Frauen eine Bedeckung des Oberkörpers gefordert wird, von Männern hingegen nicht, werden diese Regelungen zunehmend als diskriminierend empfunden.

Hingegen ist Nacktheit in der eigenen Wohnung und auf dem eigenen Grundstück grundsätzlich erlaubt, auch bei Einsehbarkeit der Wohnung.

Es handelt sich also um eine juristische Grauzone. Ein nackter Oberkörper bei Frauen kann genauso geduldet werden wie bei Männenr. Je nach Situation oder Umfeld kann ein nackter Oberkörper auch bei Männern unangemessen sein. Tendenziell ist „Oben ohne“ bei Frauen starker verpönt, dürfte aber nur in seltenen Ausnahmefällen tatsächlich juristisch geahndet und bestraft werden.
]

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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12 Antworten zu Rechte: 1. Nacktheit in der Öffentlichkeit

  1. Adrian schreibt:

    Danke.

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  2. Matze schreibt:

    „Soll das Ganze denn noch zehn Jahre weitergehen?“, fragte er resigniert. Schon am ersten Tag der Berufungsverhandlung zeichnete sich nach den Stellungnahmen der insgesamt vier Gutachter ab, dass das Landgericht Christel G., die dem katholischen Pfarrer mit unheimlicher Penetranz und Konsequenz seit beinahe fünfzehn Jahren nachstellt, freisprechen würde.

    [..]

    Die Verteidigung hob in ihrem Plädoyer auf den „Leidensdruck“ der Beschuldigten ab. Den Wahn, den Pfarrer zu lieben, sei für sie zum „Sinn des Lebens“ geworden. Sie nehme die Ächtung der Bevölkerung auf sich, habe Psychiatrie und Gefängnis über sich ergehen lassen und fahre trotzdem fort mit ihrem Tun.

    Merke: Die Frau ist hier das eigentliche Opfer. Wie war das noch? Älterer Mann hat Sex mit Teenager-Mädchen –> pädophil. Ältere Frau hat Sex mit Teenager-Jungen –> Verbotene Liebe. *seufz*

    In einer Verhandlungspause am ersten Prozesstag vor einer Woche, stellte der Pfarrer desillusioniert fest, der Rechtsstaat stoße in dem Fall an seine Grenzen. „Aber es muss doch möglich sein, mich vor dieser Frau zu schützen. Ich habe auch Rechte.“

    Schutz gibt es aber nur für das Opfergeschlecht.

    Nach der Anhörung der Gutachter habe man die Schuldfähigkeit von Christel G. nicht eindeutig feststellen können, sagte der Richter. Aus rechtlichen Gründen sei auch die Einweisung der Frau in die Psychiatrie nicht möglich. Dafür habe der Gesetzgeber „Gott sei Dank“ hohe Hürden gesetzt; „unliebsame“ oder „lästige“ Personen könnten nicht eingewiesen werden.

    Der Katholischen Nachrichtenagentur sagte Hammerschmidt nach dem Urteil: „Der Rechtsstaat hat versagt. Ich bin ja vogelfrei.“

    http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/pfarrer-stalkerin-christel-g-freigesprochen-13969644.html

    (1) Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

    http://dejure.org/gesetze/StGB/183.html

    „Unliebsame“ oder „lästige“ Personen könnten nicht eingewiesen werden, außer sie haben einen Penis.

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  3. Mycroft schreibt:

    Ich vermute mal, das liegt daran, dass Männer sich seltener über nackte Frauen beschweren als umgekehrt. Aber das kann dem Gesetzgeber egal sein.

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  4. Pingback: Rechte: 13. Sexuelle Selbstbestimmung | ☨auschfrei

  5. Gerhard schreibt:

    Seit wann ist reine nacktheit bei männern eine Straftat? Und bei frauen nicht? Wenn nichts sexuelles dabei ist, dann droht doch nur Bußgeld.

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    • Die Formulierung „durch eine exhibitionistische Handlung belästigt“ im Strafrecht gilt nur für Männer. Inwieweit reine Nacktheit darunterfällt, obliegt der Rechtssprechung.
      Frauen, die in der Öffentlichkeit das gleiche tun, begehen nur eine Ordnungswidrigkeit, selbst wenn sie auffällig masturbieren würden.

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  6. Andreas Peylo schreibt:

    „Reine Nacktheit“ ist natürlich keine Straftat. Aber die Gesetze „grob ungehörige Handlung“ § 118 OWiG, „Exhibitionistische Handlungen“ § 183 StGB, „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ § 183a StGB sind deshalb angelegt, um die öffentliche Nacktheit von Männern grundsätzlich zu unterbinden und die öffentliche Nacktheit von Frauen eher zu tolerieren oder zumindest nicht zu bestrafen. Öffentlich nackte Männer dagegen werden wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses § 183a StGB angeklagt, öffentlich nackte Frauen nicht. Da ist eine Menge Rechtsbeugung und Justizwillkür im Spiel, aber es funktioniert. Der nackte Mann wird zum Täter stilisiert.

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