Gehaltsfestsetzungen in der Industrie vs. GPG

Zum „Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit“ hatte ich vor längerer Zeit bereits einmal einen Blogeintrag geschrieben.
Gestern erst fragte Christian auf Allesevolution, welche Faktoren dazu beitragen könnten, dass Männer und Frauen unterschiedlich bezahlt werden, die aber in die Studien zum Gender Pay Gap nicht eingehen.

Immer wieder wird als Grund für den GPG auch genannt, dass Frauen angeblich nicht hart genug um ihr Gehalt verhandeln, und deshalb ins Hintertreffen geraten.

Es gibt viele unzutreffende Vorstellungen, wie das Gehalt in der Privatwirtschaft festgesetzt wird.
Deshalb werde ich hier einmal ausführlich darstellen, wie das Gehalt eines Arbeitnehmers bestimmt wird.
Dabei beschreibe ich, wie das Procedere bei uns (mittelständisches Technologieunternehmen) abläuft. Inwieweit das Verfahren bei anderen privaten Arbeitgebern davon abweicht, weiß ich nicht, gehe aber davon aus, dass dies mehr oder weniger ähnlich verläuft.
Es soll sich jeder selbst ein Urteil bilden, inwieweit die Abläufe Raum für „strukturelle Diskriminierung“ lassen.

Neueinstellungen

Bei einem neu eingestellten Mitarbeiter entspricht sein Einkommen dem Tarifgehalt.
Dieses hängt ab von der Stellenbeschreibung, bzw. der dafür nötigen Qualifikation, und der vereinbarten Wochenarbeitzeit, aber ausdrücklich nicht vom Geschlecht.
Durch Überstunden ist es – in begrenztem Maße – möglich, dieses Einkommen aufzustocken.
Bis zu einer Obergrenze erhöht sich das Tarifgehalt jährlich, und passt sich dadurch an zunehmende Berufserfahrung und Betriebszugehörigkeit an.
Vor dem erstmaligen Abschluss des Arbeitvertrages erhält der Bewerber ein Angebot des Arbeitgebers. Das kann er annehmen, oder auch nicht. Auf den Wunsch des Bewerbers nach einer Änderung/Verbesserung dürfte der Arbeitgeber nur in Ausnahmefällen eingehen, und im Zweifel lieber einen Mitbewerber einstellen.

Tarifliche Mitarbeiter

Das Einkommen beginnt mit dem Tarifgehalt. Dazu können im Laufe der Zeit übertarifliche, leistungsabhängige Zulagen kommen. Diese werden vom Arbeitgeber gewährt, um fähige Mitarbeiter zu binden und weiter zu motivieren.
Dazu findet einmal im Jahr zwischen jedem Mitarbeiter und dessen Vorgesetzten ein Gespräch statt, in dem jener in mehreren Kategorien (z.B. Arbeitsqualität, Arbeitseinsatz) nach einem Punktesystem bewertet wird. Die einzelnen Kategorien werden dabei unterschiedlich gewichtet.
In Abhängigkeit von den erreichten Punkten erhält er künftig zusätzlich zu seinem Tarifgehalt eine Zulage, die freiwillig gezahlt wird, und vom Arbeitgeber jederzeit gekündigt werden kann.
Raum für Verhandlungen gibt es dabei kaum, denn jeder Abteilungsleiter hat nur ein festes Kontingent an Punkten, die er zusätzlich vergeben kann.
Üblicherweise bleibt es deshalb meist bei der Bewertung des Vorjahres (nur in schweren Ausnahmefällen kann auch mal gekürzt werden).
Als zuständige Vorgesetzte bemühe ich mich, die zusätzlichen Punkte an diejenigen Mitarbeiter zu verteilen, die im abgelaufenen Jahr sich besonders hervorgetan haben, indem sie produktiv und engagiert gearbeitet haben. Auch Mitarbeiter, bei denen es schon seit ein paar Jahren keine Veränderung mehr gegeben hat, berücksichtige ich bevorzugt.
Aber das Gesamtkontingent für Gehaltserhöhungen ist begrenzt. Schließlich müssen wir profitabel wirtschaften und konkurrenzfähig bleiben, und können keine überhöhten Gehälter zahlen, die nicht mehr marktgerecht sind.
Jedem Mitarbeiter steht es frei, sich anderweitig zu bewerben. Wenn er einen Arbeitgeber findet, der ihm mehr bietet, kann er kündigen.

Außertarifliche Mitarbeiter

Einem Mitarbeiter, der die Möglichkeiten des Tarifvertrags bereits völlig ausgeschöpft hat, kann der Arbeitgeber einen außertariflichen Vertrag anbieten.
Auch neue Einstellungen z.B. in höhere Führungspositionen kommen dafür in Betracht.
Eine außertarifliche Bezahlung wird der Arbeitgeber aber nur in Erwägung ziehen, wenn der Mitarbeiter für ihn tatsächlich so wichtig ist, dass er ihn nicht verlieren will. Üblicherweise ist ein AT-Mitarbeiter auch nicht mehr an eine starre Wochenarbeitszeit gebunden, sondern muss die ihm übertragenen Aufgaben ausführen, egal wie lange er dazu braucht.
Bei der Ausgestaltung des AT-Vertrages besteht tatsächlich Verhandlungsspielraum für den Arbeitnehmer, je nachdem was er dem Arbeitgeber wert ist. Er darf seine Arbeitskraft so gut er kann vermarkten, sollte aber auch nicht zu hoch pokern.

Das Schwesig’sche Konzept von „Lohngerechtigkeit“ konterkariert eine leistungsgerechte Bezahlung.
Das Arbeitsentgelt ist die Gegenleistung für die geleistete Arbeit. Es muss dem Arbeitgeber möglich sein, besonders hochgeschätzte Arbeitnehmer auch entsprechend zu honorieren, ohne die Geschlechtsaufteilung in seinem Betrieb berücksichtigen zu müssen.
Es hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun, wenn langsame, unzuverlässige Arbeitnehmer genauso bezahlt werden müssen wie die tüchtigsten Mitarbeiter.
Überhaupt ist „gleichwertige“ Arbeit der falsche Vergleichsmaßstab. „Gleicher Wert“ bedeutet doch per definitionem, dass gleich viel gezahlt wird. Wie sonst ließe sich der „Wert“ bemessen, wenn nicht durch den Geldbetrag, den der Arbeitgeber bereit ist, dafür zu bezahlen. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis.

Über Anne Nühm (breakpoint)

Die Programmierschlampe.
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12 Antworten zu Gehaltsfestsetzungen in der Industrie vs. GPG

  1. luisman schreibt:

    Kuerzungen gibt es so gut wie nie, weil man dann wochenlang Aerger mit dem Betriebsrat hat. Da macht man lieber eine Versetzung auf eine andere Aufgabe im Rahmen einer kleinen Umstrukturierung, wobei dann die ehemalige Zulage wegfaellt. Die Tarifler bekommen uebrigens immer ihre x,yz% Erhoehung, was die Gewerkschaft halt ausverhandelt hat und oftmals verhandeln die eben auch dass dies fuer die freiwilligen Zulagen ebenfalls gilt. Das kann beim AT auch mal weniger sein, der kann sich naemlich nicht beim Betriebsrat beschweren 😉 Im MFK und OFK werden die Zulagen i.d.R. ueber mehrstufige Praemien, die vom Unternehmenserfolg und diversen Zielerreichungen abhaengen errechnet. Das kann im Einzelfall mal mehr sein als das Jahresgehalt eines Tariflers, oder halt auch mal 0,00.

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  2. Martin Dornera schreibt:

    Unter dem Titel „GENDER PAY GAP – die geschlechtsspezifische Lohnlücke und ihre Ursachen“ hat auch das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut zu dieser Frage beigetragen.

    Klicke, um auf p_wsi_pb_7_2016.pdf zuzugreifen

    Gibt es bereits Kritik an den Berechnungsmethoden der einzelnen Prozentwerte für den Gender Pay Gap?

    Weitere Daten liefert der Forschungsbereich „Genderforschung und Gleichstellung“.

    http://www.boeckler.de/wsi_43708.htm

    Einen aktuellen Hinweis muss ich direkt nachlegen.

    Es geht um eine „[n]eue Studie zum Gender Pension Gap – korrigierte Fassung vom 2.2.“ mit dem Titel „Frauen liegen bei den Renten weit zurück – Angleichung in Zukunft vor allem durch sinkende Rentenansprüche bei Männern[.]“

    http://www.boeckler.de/14_107123.htm

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    • Durch Berufsunterbrechungen und verbreitetere Teilzeit sammeln Frauen ohnehin weniger Rentenpunkte an.
      Dafür ist aber die durchschnittliche Lebenserwartung höher, so dass die Rentenversicherung für Frauen profitabler ist als für Männer.

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  3. netsmurf schreibt:

    Das PR-Problem ist, dass der ursprüngliche Satz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ schnell widerlegt werden kann, wenn man Ausbildung, Arbeitszeit, Fehlzeit, … miteinbezieht.

    Dann kommt die Gemeinheit, dass das Patriarchat Frauen zwingt Sprachen, Sozialwissenschaften und ähnliche Berufe zu studieren und Männer hingegen die besser bezahlten Naturwissenschaftlichen und Ingenieursstudiengänge besuchen. Das ist natürlich unfair.

    [b] Denn Studiengänge sind vergleichbar [/b]. , weil $Sozialwissenschaftliche Gründe.

    Eine Seite (der UN) wies dann aus, dass ein Bohrinseljob mit einer Kindergärtnerin vergleichbar wäre und sie deshalb gleichen Lohn bekommen sollten. Der Job auf der Bohrinsel wäre riskanter, dafür wäre der Job der Kindergärtnerin mit mehr Verantwortung verbunden.

    Also wir wählen Kriterien aus und weisen jedem Job zu diesen Kriterien einen Wert zu und berechnen danach sein Ranking. Jobs mit gleichem Ranking sind vergleichbar und müssen danach gleich bezahlt werden. Also Dr. Prof. Anglistik ähnlich wie ein Ingenieur in der Chip Entwurfsabteilung.

    So stark wie vergleichbar beworben wird, wird so ein System kommen.

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  4. Irenicus schreibt:

    Als Gegenbeispiel: Ich habe meine letzten beiden Gehälter komplett ausgehandelt. Und habe in einen Fall das anderhalbfache, dessen was am Anfang vorgeschlagen wurde, ausgehandelt. Im anderen Fall nur 10 Prozent mehr. Aber als Informatiker hat Tarif auch überhaupt keine rolle gespielt. Und ich hatte einmal das Glück etwas zu können was die Firma dringend benötigte. Auf der anderen Seite hätte ich aber auch ohne Job dastehen können, wenn mein Arbeitgeber mein Angebot abgelehnt, und sich für einen anderen Bewerber entschieden hätte. Verhandlung spielte also in meinem Fall eine große Rolle.

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    • Wenn du so gut bist, und etwas kannst, was dein Arbeitgeber unbedingt haben will, bist du bei Verhandlungen natürlich im Vorteil.
      Die allermeisten Arbeitnehmer sind das aber nicht, und müssen das akzeptieren, was ihnen der Arbeitgeber anbietet, haben aber die Option einen AG zu suchen, der ihnen mehr zahlt – wenn sie den finden.

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